Es gibt kaum ein Rechtsgebiet, das für Laien schwieriger zu begreifen ist, als das Familienrecht. Nicht aufgrund unzähliger Einzelverordnungen und Gesetze, sondern vielmehr aufgrund der völlig anderen Herangehensweise von Familiengerichten im Vergleich zu dem, was wir alle als klassischen Gerichtsablauf kennen – einer ist schuld und verliert, der andere ist unschuldig und gewinnt.
Genau diese klare Aufteilung in Schuld und Unschuld, Gut und Böse gibt es im Familienrecht jedoch ausdrücklich nicht und zahlreiche Betroffene sind enttäuscht und wütend, wenn ihr Versuch, zu beweisen, dass der andere schuld und böse ist, völlig ins Leere läuft oder sogar gegen Sie selbst gewertet wird.
Warum Sie mit falschem Verständnis dessen, was ein Familiengericht tut, mit größter Sicherheit in einem Verfahren gerichtlich scheitern werden erfahren Sie in Familiengericht – deshalb scheitern Sie mit ihrem Antrag
Sehr treffend beschrieben und deckt sich weitestgehend mit meinen Erfahrungen:
Vor allem der Abschnitt zum Schluss: “Wie Sie Ihre Chancen verbessern”
Über weite Strecken hat mir der Beitrag gut gefallen. Danke.
Kritik üben möchte ich dennoch, und zwei Punkte besonders hervorheben.
“Wie Sie Ihre Chancen verbessern”
Worauf?
Für insbesondere Väter: Auf täglichen Umgang mit dem gemeinsamen Kind, wie zu Ehezeiten noch üblich, oder ein gemeinsames Sorgerecht, gegen den Willen der Mutter die im Netzwerk der Frauenhilfe abtaucht? Eine frühzeitig erfolgende und sachliche Vermittlung der Gesetzmäßigkeiten kann zumindest die Gesundheit stabilisieren helfen. Vaterschaft ist im deutschsprachigen Raum derzeit nachrangig und zwar sowohl per Definition, als auch in der Rolle eines präsenten Elternteils, insbesondere dann, wenn der Vater nicht mit der Mutter verheiratet ist. Die Rolle des väterlichen Ernährers – und somit familienfernen Elternteils – ist fix, sofern die Mutter gemäß § 1615l (2) Satz 2 BGB darauf besteht. Darüber hinaus gibt § 1606 (3) BGB dem Gericht relativ wenig Handlungsspielraum, betreffend Flexibilität zur Rollenverteilung. Aus diesen und weiteren (nicht zwangsläufig gesetzmäßigen) Gründen kommt es, dass im Mittel derzeit rund 90% sog. Alleinerziehende Mütter sind (100% in den ersten sechs Jahren, sukzessive absteigend auf 83%, bis Vollendung 18.Lebensjahr des Kindes).
“Seien Sie optimistisch. Niemand will Ihnen oder dem Kind etwas Böses, erstrecht nicht mit Vorsatz.”
Die Richter im Fall Görgülü hat es also niemals gegeben, wie auch Richterin Jaeger, die im Fall Zaunegger eine ‘gewichtige Rolle, als Türsteherin’ am EuGH inne hatte?
MfG
Ralph Steinfeldt (HamV)
Hallo Herr Steinfeldt,
wir haben die Erfahrung gemacht und viele insbesondere Väter – darunter auffallend viele, deren Kinder heute überwiegend bei ihnen leben – melden uns zurück, dass genau das auch Ihre Herangehensweise durch das familienrechtliche Prozedere war, wie im Artikel beschrieben.
Natürlich gibt es auch unter Richtern, Gutachtern oder Jugendamtsmitarbeitern kompetente und integre und weniger kompetente und integre – wie bei allen Menschen und Berufsgruppen. Oft aber zeigen sich tatsächlich in Beschlüssen, dass von Grund auf der falsche Antrag gestellt oder völlig am Thema vorbei argumentiert wurde – aus Unverständnis oder Missverständnissen heraus.
Eine Katastrophe, wenn sich darüber hinaus auch noch die Überzeugung entwickelt, ein ganzes System sei parteiisch gegen einen Betroffenen. Das ist nicht die Realität, die wir erlebt haben. Wir haben Jugendamtsmitarbeiter erlebt, die nach anfänglichen Konflikten zu wertvollen Beratern und Wegbegleitern geworden sind. Ebenso haben wir pädagogische Fachkräfte erlebt, die ihre eigene Haltung sachlich hinterfragt und entsprechend überzeugender Fakten neu ausgerichtet haben.
Aber alledem ging die allseitige Bereitschaft zur Verständigung voraus. Desto schneller Frontendenken einsetzt, umso schneller und destruktiver läuft alles in eine Sackgasse.
90% alleinerziehende Mütter ist sicherlich im Wesentlichen auch Produkt der Gesetzeslage bis zur Novellierung. Wir erwarten hier eine Verschiebung, auch wenn uns sehr bewusst ist, dass es noch dauern wird, bis sie nennenswerte Größen erreicht.
Wir erleben viele Betroffene – Väter wie Mütter – die es sich selbst zusätzlich schwer machen, indem sie sich nicht zu Kooperationen durchringen können oder sich nicht aus der gedanklichen Struktur des “Guten” und “Bösen” unter den Eltern lösen können.
Und das sind ohne Zweifel ungünstige Voraussetzungen, die veränderbar sind.
Hallo Trennungmitkind,
ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass eine gesteigerte Kommunikations-, und Kooperationsbereitschaft dienlich ist, wie auch eine Strategie, nach der Anträge auch durchsetzbar sind. Allerdings bin ich betreffend „Verschiebung“ nicht gar so optimistisch wie Sie. Es mag für Sie vielleicht ein Grund zur Freude sein, wenn nach einer weiteren Generation statt 90% lediglich 85% der sog. Alleinerziehenden im Mittel Mütter sind, hätte man so schließlich eine beachtliche Steigerung aufseiten der Väter erreichen können, aber das entspricht nicht unserem Anliegen, schon gar nicht mit Blick auf die stetig steigenden Zahlen von Haushalten, in denen Kinder mit lediglich einem Elternteil leben.
Über strukturelle Benachteiligungen kann Ihnen u.a. Horst Zaunegger berichten. Richterin Jaeger hatte am EuGH eine deutsche Rechtsauffassung vertreten, nicht unbedingt ihre eigene. Insoweit macht es wenig Sinn ihr dortiges Votum gegen das gemeinsame Sorgerecht als Einzelperson mit einer Einzelmeinung klein zu reden. Zudem hat weder die Neufassung zum gemeinsamen Sorgerecht für Väter nichtehelicher Kinder nur wenig zu deren nennenswerter Präsenz im Leben ihrer Kinder beigetragen. (Wir haben auf unserer Webseite dazu, und als Diskussionsgrundlage, ein Papier hochgeladen, in dem die Verschiebungen bei den Sorgerechtsübertragungen auch grafisch aufgeführt sind). Und wenn man die gesetzliche Schlechterstellung nichtehelicher Kinder mit der von nachehelichen Kindern vergleicht, sieht es auf beiden Seiten nach wie vor nicht gut aus. Da verbessern auch einige Vätermonate die Chancen auf weiterhin betreuende Väter nicht nennenswert, wenn die Partnerschaften/Ehen scheitern.
Was haben wir erlebt? Wir haben erlebt, dass während eines Kurses „Kinder im Blick“ eine Umgangsbroschüre des VAMV als Arbeitsmittel eingesetzt wurde. Wir haben erlebt, dass exakt wie in Ihrem Beispiel, der ausgrenzende Elternteil mit Alleinsorge und im Gegenzug der kooperative Vater mit Umgangsausschluss „belohnt“ wurde. Wir haben erlebt, dass Kinder im Beisein der Mütter befragt wurden und wir haben erlebt, wie Umgangspfleger(innen) sich von Müttern das Programm zum begleiteten Umgang haben minutiös vorschreiben lassen. Wir haben recherchiert, dass doch einige, sog. Familienhelfer(innen), ihre Unterschriften auf die Liste des VAMV, gegen das gemeinsame Sorgerecht, gesetzt haben. Uns wurde versichert, dass Mütter auch dann mit ihren Kindern in Frauenhäuser abtauchen, wenn ihnen weder Gewalt angedroht wurde, noch widerfahren ist. Darüber hinaus haben wir noch einiges mehr erlebt und in Erfahrung gebracht. Es gibt derzeit keine Rückmeldungen darüber, ob Väter nichtehelicher Kinder das gemeinsame Sorgerecht im vereinfachten Verfahren zugesprochen bekamen. Es ist demnach davon auszugehen, dass Väter sich das Sorgerecht vor Gericht erstreiten müssen und die Kooperationsbereitschaft aufseiten von Müttern nicht nennenswert gestiegen ist. Ich habe auf einer Informations- und Diskussionsveranstaltung einer Frauenberatungsstelle, im Gegenteil mitbekommen, wie zukünftig um das Sorgerecht gefeilscht werden soll, wenn die Mutter ihre Rolle als hauptsächlich betreuender Elternteil erfolgreich durchsetzen möchte. Das Zauberwort heißt dann: Aufenthaltsbestimmungsrecht (ABR). Der Deal (zwischen Rechtsanwalt und Frauenberaterin, dort ausgeklüngelt) ist denkbar einfach: Der Vater erhält das gemeinsame Sorgerecht, unter der Voraussetzung, dass er auf das ABR verzichtet, andernfalls droht die langwierige gerichtliche Auseinandersetzung. Das sieht gut aus, in den Statistiken, betreffend zur Schau gestellte Kooperationsbereitschaft und bringt dem Vater außer einem Trostpreis, in Form einer einvernehmlich vereinbarten Schlechterstellung, nichts ein. Der VAMV hatte in einem eigenen Gesetzesvorschlag beschrieben was er unter Kooperationsbereitschaft versteht und dass es der Vater sei, den hier eine alleinige Bringschuld trifft.
All dem unbenommen wirken auch wir darauf hin die Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern zu fördern, und das so frühzeitig wie möglich. Auf das der elterliche Gang zum Familiengericht den gemeinsamen Kindern möglichst erspart bleibe und ihnen stattdessen möglichst viel Gewinn bringende Zeit mit beiden Elternteilen ermöglicht wird. Das ist harte Arbeit, gerade weil Gesetze und Rechtspraxis hier noch viel zu wenig in diesem Sinne ausgerichtet sind bzw. mitwirken.
MfG
Ralph Steinfeldt (HamV)
Hallo Herr Steinfeldt,
wir verstehen die rechtliche Situation und deren Nachteile für Väter durchaus. Auch sind wir uns des noch immer präsenten Rollendenkens auch im gerichtlichen Alltag bewusst.
Allerdings ist für uns nicht ein objektiver Gerechtigkeitsbegriff oder eine Quote das Ziel, sondern Optimallösungen für betroffene Kinder. Insofern wäre es schön, wenn es irgendwann praktisch gar keine “Alleinerziehenden” mehr gäbe, sondern jedes Kind beide Eltern nach wie vor umfassend leben und lieben könnte – völlig unabhängig davon, wo es wohnt oder nicht wohnt.
Dass es in absehbarer Zeit zu einer 50/50 Aufteilung der Geschlechter bei den überwiegend betreuenden Elternteilen kommen wird, halten wir für unwahrscheinlich – aber das ist auch gar nicht schlimm, weil es uns nicht um eine Quote geht, die einer politischen Idee folgt, sondern darum, dass für das Kind nach der Trennung die bestmögliche Lösung gefunden wird. Wie auch immer diese dann aussieht.
Mit einem Fokus auf einer vermeintlich sachlichen Gerechtigkeit wird man vor einem Familiengericht aber immer scheitern. Und da viele Betroffene nicht verstehen können, wieso, entstehen Fehler, es werden Anträge gestellt, die in eine völlig falsche Richtung laufen und am Ende ist nichts gewonnen – im Gegenteil.
Das ist für uns ein wichtiger Teil des Ganzen – den Gerichten, wenn sie denn zum Einsatz kommen müssen – Möglichkeiten zu bestmöglichen Entscheidungen schaffen. Und dorthin suchen wir praktikable Wege, die am Ende aber doch jeder Betroffene selbst gehen muss. Wir können nur die Richtung weisen.